Donnerstag, 25. Februar 2010

Die Landessprache

Es war uns immer wichtig, egal in welches Land wir reisten, ein wenig in der Landessprache zu sprechen. Und wenn man sich gleich ein ganzes Jahr in einem Land aufhält erst recht. Dabei erfährt man automatisch auch mehr über die Menschen, ihre Lebensweise und ihre Beziehungen zueinander. Nebenbei wird jeder Versuch mit Sympathie honoriert und manchmal kommt man ohne Sprachkenntnisse auch gar nicht weiter.
In Kambodscha ist "Khmer" die Amtssprache. Es ist eine sehr alte Schriftsprache, die von einem südindischen Alphabet abgeleitet wurde. Das älteste Schriftdenkmal ist aus dem Jahre 611. Man ordnet sie der austro-asiatischen Sprachfamilie hinzu, wo es mit Mon, das vorwiegend in Niederburma und Thailand gesprochen wird, den Mon-Khmer-Zweig bildet.
Grammatikalisch gesehen, ist Khmer eine leicht zu lernende Sprache. Es gibt keine Beugung, keine Artikel, keine Mehrzahl, keine Zeitform. Die Worte werden einfach nebeneinander gesetzt und auch wenn ihre Reihenfolge die Beziehungen der Wörtzer zueinander bestimmt, versteht jeder was gemeint ist, selbst wenn die Abfolge nicht ganz stimmt.
Für uns war es wichtig, besonders die Höflichkeitsformen von Begrüßung, bedanken und Anrede zu erlernen. Die Begrüßung erfolgt durch Aneinanderlegen der Handflächen etwa in Höhe des Kinns. Der Blick wird dabei nach unten gerichtet. Diese Form der Begrüßung ist sehr offiziell und wird sompiah genannt. Ein Lächeln reicht sicher aus, aber wer dann noch mit "djumriab-sua" - Guten Tag grüßt, wird mit einem freundlichen Lächeln und oft großer Verwunderung belohnt. Bekannte untereinander begrüßen sich ohne sompiah, mit "suasdey" - dem "Hallo" gleich zu setzen. Oft folgt darauf die Frage nach dem Wohlergehen:"sok-sabbay tee?", die mit "djah (Frauen) oder bat (Männer) sok-sabbay tee." beantwortet wird. "Djah" und "bat" bedeuten ja und werden von den Geschlechtern unterschiedlich gebraucht. Nur der König, als einziger Mann sagt auch "djah". Das erklärt sich vorallem aus dem ursprünglich matriarchischem System in Kambodscha. Im Alltag sind davon noch einige Spuren zu finden. So zieht nach der Hochzeit der Mann zur Familie seiner Frau und wichtige Personen, wie der Dorfvorsteher wird mit "mee ..." angesprochen, was Mutter bedeutet.
Das Khmer besitzt ein kompliziertes System von persönlichen Fürwörtern und Anredeformen, bei deren Verwendung die soziale Stellung, das Alter, der Grad der Vertrautheit und vieles mehr eine große Rolle spielt. Am Häufigsten begegnet man der Anrede "bong", was man mit älteres Geschwister übersetzen kann. Im Gegensatz zu Deutschland gilt es in Kambodscha als höflich, seinen Gesprächspartner eher etwas älter zu machen, da Alter mit Respekt verbunden wird. Dabei bedeutet "bong-srey" - Schwester und "bong-proh" - Bruder. Auch andere Verwandschaftsbezeichnungen, ohne das eine reale Verwandschaft besteht, wie, Onkel, Tante, Großvater oder Großmutter sind sehr beliebt. Hingegen Mutter oder Vater werden nur von den eigenen Kindern benutzt. Bei offiziellen Anlässen ist die Anrede Herr/Frau + Nach- und Vorname üblich. In Kambodscha steht der Familienname immer an erster Stelle. Übrigens behalten die Frauen ihren Familiennamen auch nach der Hochzeit, die Kinder bekommen den Namen des Vaters.
Was wir sehr schnell lernen mussten waren die Richtungsbestimmungen. Jeder Tuk-Tuk-Fahrer ist über einen potentiellen Gast so glücklich, dass es für ihn keine Rolle spielt, wo die Fahrt hingehen soll. Mit den englischen Bezeichnungen können nur Wenige etwas anfangen und auch die Nummerierung der Straßen hilft da nicht weiter. Am Besten ist man dran, wenn man in Khmer einen Markt "psar" oder eine Pagode in der Nähe benennen kann. Sicher reichen auch die englischen Begriffe, vorallem, wenn man zusätzlich die entsprechenden Handbewegungen macht. Doch natürlich ist es netter und sicherer, der Fahrer muss sich nicht zu einem umwenden, das ganze auf Khmer zu formulieren. "Bat stam" heißt rechts abbiegen, "bat dchschwejn" - links abbiegen und "doutroung" - geradeaus.
Weiterhin ist es hilfreich die Zahlen zu beherrschen, da auf den Märkten kein Englisch gesprochen wird. Auch hier kann man mit Zettel und Stift operieren, aber preiswerter ist es auf Khmer zu handeln. Ist man beim Zählen bei 5 angelangt, bildet 5 für die Zahlen 6-9 die Grundlage, z.B.: 1 - muy, 2 - pie, 3 - bey, 4 - buhn, 5 - bram, 6 - bram muy, 7 - bram pie usw. Dob ist die Zehn und da man mit Riel im hunderter und tausender Bereich operiert, braucht man noch roy für 100er und poan für 1000er. Wir kaufen gerne frisches Obst oder Gemüse auf den Märkten ein und haben schnell die Erfahrung gemacht, dass Ausländer einen Sonderpreis zahlen, wenn man sich nicht aufs Feilschen versteht. Noch besser ist es Stammkunde zu sein, da einem dann die qualitativ besten Waren rausgesucht werden und 1kg auch wirklich 1000g sind.
Die Wochentage werden immer mit dem Wort für Tag "tknai" eingeleitet und sind nach den Planeten benannt. Bei den Himmelsrichtungen gibt es die Seite-Fuß (Norden) und die Seite-Kopf (Süden), da das die ursprüngliche Richtung ist, in die Kopf bzw Fuß beim Schlafen gerichtet wurden. Wohingegen Osten und Westen sich nach Sonnenauf- bzw untergang richten. Alle Flüssigkeiten sind "trk", wie "trk taä" für Tee oder "trk trey" für Fischsoße. So hat Katrin zum Frühstück statt Tee Fischsoße serviert bekommen. Alkohol ist klarer abgetrennt, das ist "sra".
Schnell läßt ein Tuk-Tuk-Fahrer von einem ab, wenn man sagt:"mien haui", was so viel bedeutet wie - ich habe schon, denn ein einfaches nein - "od-tee" wird nicht akzeptiert. Neinsagen gehört so gar nicht zu den Stärken der Kambodschaner. So antworten sie selbst in Bedrängnis eher mit "ja", obwohl sie der Sache gar nicht zustimmen. Hört man hingegen von einem Verkäufer die Worte "od mien", bedeutet es, das sie den gewünschten Artikel nicht haben. Um der Flut von Plastiktüten zu entkommen, nehmen wir uns zum Einkaufen immer eine Eigene mit und wehren mit "od tröwka" - brauchen nicht, jede weitere Verpackung ab.
Was uns an der Sprache sehr erheitert, ist die "Spielform". Das heißt, wenn man zum Beispiel spazieren geht, dann spielt man gehen - "daa-ling" oder "ongkuy-ling" für sitzen spielen. Und oft werden Worte wiederholt, wie ein bischen - "tägg tägg" oder "dschub dschub" für stopp. Auch das "djah" und das "bat" hört man sehr häufig mehrfach hintereinander gesprochen, was nicht unbedingt einer Zustimmung gleich kommt. Es signalisiert bestenfalls Aufmerksamkeit
Natürlich gehört zu unserem Wortschatz danke "okhuhn", bitteschön antwortet man hier nicht, da reicht ein Lächeln. Im Restaurant freut man sich, wenn man das Essen mit "tschnjang naht" lobt.
Vom französischen Einfluss ist selbstverständlich auch einiges in die Alltagssprache gelangt. Beispiele dafür sind "police", "houtel" oder "telefone". Heute hat Englisch das Französisch als erste Fremdsprache abgelöst. Jeder versucht an einer der vielen gut besuchten Schulen in seiner Freizeit, oft in der 2stündigen Mittagspause, englisch zu lernen. Da es sich hier um Privatschulen handelt, ist jeder Kurs und auch das Kursmaterial zu bezahlen. Neben Englisch sind vor allem die Chinesisch Kurse gefragt. Wirtschaft und Handel sind chinesisch dominiert und wer hier Fuß fassen will sollte Mandarin beherrschen.
Wie in jeder Sprache gibt es auch eine Nonverbale Kommunikation. Wichtig hierbei ist das Heranwinken, besonders eines Tuk-Tuks. Dieses erfolgt mit ausgestrecktem Arm, wobei die Handfläche nach unten zeigt und mit greifender Bewegung das in Khmer als "bak day haw" bezeichnete, mit der Hand winken und rufen ausgeführt wird. Die Tuk-Tuk- und Motodup- (dup bedeutet schleppen) Fahrer machen durch in die Hände klatschen auf sich aufmerksam. Hingegen ist das mit Finger auf jemanden zeigen, besonders wenn der jenige recht nah ist, sehr unhöflich. Man richtet den Blick auf die Person und spitzt den Mund ein wenig und sagt "nih" -hier oder "nuh" -dort. Auch ist es hier nicht üblich Blickkontakt zu halten, was nicht bedeutet, dass man sich nicht anschaut. Ganz im Gegenteil, der Kambodschaner starrt regelrecht aufdringlich. Da zurück Starren nicht als unhöflich angesehen wird, genießen auch wir es Menschen zu "kucken". Im Straßenverkehr ist der für uns so gewohnte Blickkontakt jedoch völlig unbekannt. Unser Eindruck ist, man fährt eher nach dem Motto "Augen zu und durch". Es wird beim Abbiegen weder nach rechts oder links gesehen, im Gegenteil oft wird bewußt weggeschaut.

Wir lernen "Khmer" vorallem auf den Märkten, von den Tuk-Tuk-Fahrern, von Katrins Kollegen oder von Katrins Kindermädchen, die auch sehr gut Englisch spricht. Eine Zeitlang hatten wir eine Lernpatenschaft mit einem jungen Mann, der im Gegenzug gern Deutsch lernen wollte. Am Ende stimmte die Chemie nicht mehr und wir haben es einschlafen lassen. Vielleicht nutzen wir die letzten Monate noch, um mit unserer Freundin Samnang etwas tiefer in die Geheimnisse des Khmer einzutauchen. Doch zur Zeit herrscht hier noch Hochsaison und da sie als Reiseleiterin arbeitet, hat sie noch jede Menge zu tun.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bin beeindruckt, hört sich sehr sprachwissenschaftlich an. Ist die Aussprache schwer, d.h. werdet ihr verstanden? Sicher, blöde Frage! Bei uns sind die ersten Anzeichen des Frühlings wahrzunehmen. Endlich. Liebe Grüße, Marlis

Anonym hat gesagt…

Seid ihr in den Wirren der Sprachen verschwunden ;-)? Melde mich noch per Mail, liebe Grüße Marlis.