Das sollte der Höhepunkt unserer Reise werden, eine Wanderung durch eine der längsten, tiefsten und engsten Schluchten der Welt. Der Yangtse hat tief sein Bett gegraben und die schneebedeckten Über-5000er-Himalaja-Ausläufer grenzen direkt daran. Die
Hutiao (Tiger Sprung) Schlucht streckt sich über 15 km vom
Jadedrachen in
Lijiang bis zum
Haba Schneegebirge in
Zhongdian, auch
Shangri La genannt. Eine Legende besagt, das der Name der Schlucht vom engsten Punkt her stammt,
da dieser, knapp 30 m breit, von einem Tiger übersprungen worden sein soll. Diese Wanderung haben wir lange diskutiert und uns im Internet belesen, waren doch die Beschreibungen dazu sehr unterschiedlich. Richtiges Kartenmaterial gibt es nicht, nur
handgemalte Skizzen.
Die ganze Bandbreite von sehr schwer und gefährlich bis zu einfach und sehr touristisch konnte man lesen. Die gesamte Strecke soll ca. 23km lang sein und bei gutem
Wandertempo sogar an einem Tag zu schaffen sein. Wir hatten uns für die eher gemütliche Variante in 2 Tagen, so hofften wir zumindest, entschieden. Die
Wanderrucksäcke hatten wir mit dem Nötigsten gepackt und den Service unseres
Guesthouses genutzt, das restliche Gepäck unterzustellen. In
Lijiang ist man gut darauf vorbereitet, dass die Touristen Mehrtagestouren, nicht nur in die Schlucht, unternehmen. Unsere Pension bot sogar verschließbare Schränke für die zurück gelassenen Sachen an. Mittlerweile haben wir eine gewisse Übung entwickelt mit den richtigen Zetteln voller Zeichen in der Hand die Dinge zu organisieren. Der kleine Bus in der
Long-
Distance-Bus-Station war schon halb voll.
Anhand der Ausrüstung konnten wir feststellen, alle hatten das gleiche Ziel. Nach einem Stopp zum Füllen des Wassertanks für die hier in den Bergen so wichtigen
wassergekühlten Bremsen, kamen wir nach 2 1/2 Stunden am Ausgangspunkt unserer Wanderung an. Die chinesisch sprechenden
Guides, die sich auf die Passagiere stürzen wollten, schauten uns sehr irritiert an. Keiner konnte ein Wort Englisch, was sie in diesem Moment sicher bereuten. Den Einstieg in den
Trail verdankten wir einem mitreisenden Koreaner, der allerdings auch kaum Englisch spricht. Dafür hat er, im Gegensatz zu uns, einen Stapel dieser begehrten Skizzen und Beschreibungen über die Wanderwege verschiedenster Art. Jeder warnte uns eigentlich davor diese Tour allein zu machen und die Kosten für einen
Guide sind mit 580
Yuan/Person entsprechend hoch, zu hoch für uns, um es anzunehmen. Nach schon 100m ist Schluss. Ein sehr offiziell aussehender, gut Englisch sprechender Chinese erklärt uns, dass die Schlucht für Ausländer gesperrt sei. Schon wieder. China ist wirklich
rigeros. In der Schlucht wird gebaut, es finden Sprengarbeiten statt. Die Gefahr, dass Ausländer zu Schaden kommen, was sicherlich international
ausgeschlachtet werden kann, ist dem Land zu groß. Natürlich könnten wir aber gehen, auf eigenes Risiko und ohne Eintrittsgebühr und -
karten als Nachweis. Selbstverständlich ließen wir uns nicht aufhalten, da ja auch unser
Wanderweg von den Baumaßnahmen nicht direkt betroffen war. Auch die anderen
Wandergenossen, meist Chinesen, drehten nicht um. Die sehr bald auftauchenden Maultiere mit ihren Führern gaben uns die Sicherheit, dass es trotz der Arbeiten ein gut gehendes Business mit Wanderern gibt und wir nicht allein sein werden.
Sie probierten ihre Englisch Kenntnisse aus, zeigten ein paar Abkürzungen und nahmen schließlich
Tobis und Katrins Rucksack und später noch Marie auf den Rücken der Maultiere.
Na, da hatten sie Glück mit uns gehabt. 30
Yuan kostete der Ritt zum ersten
Guesthouse, dem
Naxi-
Guesthouse.
Wir machten Rast und entledigten uns unserer warmen Sachen. Waren wir am Morgen mit
mehrschaligen warmen Hüllen, noch im Bus frierend, losgezogen, war der Aufstieg in der Mittagssonne eine schweißtreibende Angelegenheit geworden. Dabei war der schwierigste Teil, die "28-Kurven" zum Gipfelpunkt des Weges noch gar nicht erreicht. Der Pfad war schmal und steil. Über 300 Höhenmeter sollten überwunden werden. Die Maultiere wurden uns für 100
Yuan pro Rucksack angeboten. Als der Preis auf 50
Yuan fiel, gaben wir die schwersten Rucksäcke ab.
Aber alle erstiegen den Höhepunkt auf 2600m per
pedes. Wir schafften die Strecke in 1,5 Stunden, 2 h waren eigentlich dafür vorgesehen. Danach ging es genauso steil wieder bergab. Die Maultiere verließen uns und wir waren auf uns allein gestellt. Der Weg war ein Jahrhunderte alter Treidelpfad.
Ab und zu waren Pfeile und Hinweise für die
Guesthouses in der Umgebung angebracht. Die Landschaft wurde zum Pinien- oder Bambuswald, die Berge ringsherum atemberaubend.
Die einzelnen Taleinschnitte haben ein sehr verschiedenes Klima. In Dorfnähe gibt es auch Palmen und Bananenstauden. Nach 2 Stunden erreichten wir das
Tea-
Horse-
Guesthouse und stärkten uns mit Kartoffelpuffer und
Naxi-Sandwich. Wir mussten gewaltig Anlauf nehmen, um die letzte Etappe bis zum Half-
Way-
Guesthouse anzutreten.
Mit wirklich letzter Kraft erreichten wir es nach 1,5 h noch kurz vor Sonnenuntergang. Endlich wieder westliche Toiletten und warme Duschen mit
Wärmestrahler. Die Temperatur sinkt wieder erheblich. Die Zimmer sind sehr schön, das Essen phantastisch. Die anzutreffenden Wanderer, meist natürlich viel jünger als wir, kommen aus aller Herren Länder. Wir trafen Russen, Tschechen, Amerikaner...
Die 2. Etappe
Der Plan war früh aufzustehen. Als aber der Wecker um 6 Uhr klingelte war weder die Sonne aufgestanden, noch die dienstbaren Geister für Frühstück und heißen Kaffee. Also
kuschelten wir uns noch einmal in die warmen Decken, draußen ist es richtig kalt.
Nur 2 Stunden sollte es bis zu Tinas-
Guesthouse dauern und so starteten wir um 9.00 Uhr. Die nächste Marke, die "Fünf-Finger" erreichten wir in der veranschlagten Zeit. Der Pfad wurde aber immer schmaler und neben uns fiel der Berg extrem steil ab. Ein Fehltritt wäre
lebensbedrohlich. Dafür waren die Ausblicke atemberaubend. Schon von Weitem konnten wir einen fantastischen Wasserfall ausmachen, der sich allerdings beim Annähern als feuchtes Hindernis auf unserem Weg darstellte.
Es war am Ende einfacher als befürchtet und eine willkommene Erfrischung. Dann ging es nur noch bergab. 2 Stunden liefen wir schmale Pfade,
Kletterpartien über Felsblöcke, nur abwärts.
Erschwerend kam hinzu, dass Theo eingeschlafen war und vor Katrins Bauch gebunden ihre Sicht und Schritte behindernd immer schwerer wurde. Auch waren Katrins und
Tobis Schuhe im wahrsten Sinne durchgelaufen. Unsere neu erworbenen
Hikingschuhe waren auf dieser Strecke Gold wert, doch auch unsere Füße trugen erste
Blessuren davon. Nach 3 Stunden und vielen Flüchen erreichten wir endlich Tinas-
Guesthouse und stärkten uns mit "
Allerelei-Kartoffel". Eigentliches Tagesziel war Walnut-Garden. Doch da wir auch an diesem
Guesthouse unseren Rücktransport organisieren konnten, alle ordentlich kaputt waren und
Tobis und Katrins Schuhe keine Sohlen mehr aufwiesen, entschieden wir die Wanderung zu beenden. Mittlerweile war auch die Idee geboren, gleich nach
Shangri La weiter zu fahren, befanden wir uns doch schon auf halber Strecke. Einziges Problem, wir hatten Gepäck nur für eine Übernachtung dabei und auch Theos Windeln neigten sich dem Ende. Risikofreudig, aber auch mit der Hoffnung, dass in
Zhongdian, dem Hauptsitz der
Praefektur Deqen, ein gut sortierter Supermarkt existiert, ließen wir uns entsprechende Angebote unterbreiten. So könnten wir in 6-7 Stunden mit einem Minivan für 400
Yuan über die fertiggestellte Bergstraße in
Zhongdian, für uns
Shangri La, sein. Nehmen wir jedoch den Weg zurück nach
Qiaotou, dann gibt es einen Minivan für nur 180
Yuan und es dauert nur ca. 2 Stunden. Von
Qiaotou fahren regelmäßig Busse nach
Shangri La, in nur 2 weiteren Stunden. Außerdem konnten wir uns diese Tour auch noch mit 2 weiteren Reisenden teilen. Sie hatte nur einen Haken. Wir mussten die Straße nehmen, die sich gerade im Bau befand. Wir hatten am Tag zuvor die
Sprengungen gehört und konnten uns lebhaft vorstellen, wie Straßenbau auf Chinesisch funktioniert. Wir wurden auch darüber informiert, dass der Minibus nicht durchfahren kann und wir ca. 2km zu Fuß überbrücken müssten. Es gab auch den Hinweis, besonders von anderen Wanderern, dass diese Strecke extrem gefährlich ist. Wir überlegten hin und her. Wie gefährlich würde es wirklich sein? Wir könnten Zeit und Geld einsparen. Um es vorweg zu nehmen. Wir würden im Nachhinein niemanden raten diese Abkürzung zu nehmen. Sie ist lebensgefährlich und man muss wahnsinnig sein, oder extrem naiv, um diesen Weg zu gehen. Man darf sich gern aussuchen, was uns getrieben hat diese Variante zu wählen. Nachdem wir mit Hinweis auf das Baby mehrfach nachfragten, wie gefährlich es wird und zur Antwort bekamen "gefährlich, aber viele machen es", taten wir uns mit dem israelischen Pärchen zusammen und wagten die Abkürzung. Schon auf der Fahrt mit dem Minibus, in dem 7 Personen gerade so Platz fanden, fühlten wir uns nicht wirklich sicher. Die Baustelle machte den Eindruck, dass sich durchaus jeder Zeit eine Steinlawine lösen konnte und neben der Straße ging es Hunderte Meter in die Tiefe. Das jedoch war nichts gegen das Stück, welches wir zu Fuß zurückzulegen hatten. Über die Straße ergoss sich ein mehrere Meter breiter Geröllhang,
von dem sich immer wieder Steine lösten und mit zu nehmender Geschwindigkeit herunter sausten. Mittlerweile hatte sich eine weitere Gruppe, ausschließlich Chinesen, uns angeschlossen. Sie hatten einen Führer und auch wir wurden von unserem Fahrer durchgeschleust. Beide trieben uns an, diese Gefahrenstelle rennend zu überwinden. Mit klopfendem Herzen hatten wir es geschafft. Doch schon kurze Zeit später standen wir vor riesigen Felsblöcken, die die Straße blockierten. Während wir mit einer waghalsigen
Kletterpartie dieses Hindernis bezwangen, brachten Arbeiter Bohrungen für die nächsten
Sprengungen an. Und es war immer noch nicht die letzte Gefahrenstelle. Ein Tunnelausgang war zu gut 2/3 verschüttet. Mittlerweile war die Mittagspause beendet und es wurde bereits wieder gebaut. Ein Bagger war dabei, den Ausgang frei zu legen. Wir mussten warten. Unsere "
Schleuser" verhandelten mit den Bauarbeitern. Plötzlich hieß es, das es los geht und alle rannten auf das Hindernis zu. Als wir endlich erkennen konnten, was wir da zu bewältigen hatten, hielten uns nur die beiden bekannten Gefahrenstellen davon ab, wieder
umzukehren. Es war eine extrem steile Geröllwand aus sehr feinem Material. Doch mit Hilfe der vielen zufassenden Hände schafften wir es trotz der mittlerweile weich gewordenen Knien. Auch danach wurden wir zur Eile angetrieben, denn es lösten sich über unseren Köpfen immer wieder einige Steine. Endlich sahen wir den 2. Minivan, der uns nach
Qiaotou bringen sollte. Es war geschafft und wir hatten erfahren, dass wenn Chinesen sagen, es ist gefährlich, dann ist es wirklich richtig gefährlich. Auf unserer Reise trafen wir später noch mehr solch wahnsinnige Ausländer, die sich durch diese Baustelle haben schleusen lassen. Übereinstimmendes Urteil, hätte man vorher gewusst, was da auf einen zukommt, wäre man dieses Risiko niemals eingegangen.
Wir hatten richtiges Glück mit dem Fahrer unseres 2. Minibusses. Er fuhr großartig und bot uns darüber hinaus die Fahrt nach
Shangri La für 200
Yuan an. Die Straße war super ausgebaut und wir genossen die vorbeiziehenden Berge, tiefen Schluchten und sahen Wasserkraftwerke mit Flüssen fast ohne Wasser. So kamen wir nach weiteren 2 Stunden in einer Gegend an, die nun wirklich schon sehr nach Tibet aussieht. Weite Ebenen mit weidenden
Yaks, kleine Dörfer mit urtümlich aussehenden sehr großen Lehmgebäuden und die allgegenwärtigen
Gebetsfahnen bestimmen das Bild der Landschaft. Außerdem ist es wieder richtig kalt. Den Tag zuvor soll es noch geschneit haben, allerdings sahen wir keinen Schnee mehr. Als wir in
Shangri La ankamen zeigte unser israelischer Reisebegleiter dem Vanfahrer eine Visitenkarte einer möglichen Unterkunft. Da diese sich in der auch hier für Autos verbotenen, Altstadt befindet, ruft er kurzerhand an.
Keine 2 min später werden wir von einer sehr netten, jungen, Englisch sprechenden Frau abgeholt. Ihr Hotel war ein traditionelles großes Holzhaus mit Zimmern für uns alle und die an diesem Tag nötigen heißen Duschen. Es war richtig gemütlich, aber kalt. Wie wir mitbekamen, steht überall ein kleiner Kohleofen für heißes Wasser in den Gebäuden, die ansonsten immer offene Türen haben. Die Menschen tragen fast immer entweder traditionelle Kleidung oder schicke Wintersportbekleidung. Für die Hotelchefin war es immer wichtig zu fragen, ob wir auch genug warme Sachen angezogen haben. Und wir hatten immer alles an, was wir mit hatten. Der Ort, oder besser gesagt dessen Altstadt, wirkt wieder sehr
unwirklich. Alle Häuser sind traditionell aus Holz gebaut und zum allergrößten Teil sehr gepflegt. Über den Dächern thront ein vergoldeter Tempel, der des Nachts phantastisch angestrahlt wird. Es wird nicht soviel Party wie in
Lijiang gemacht. Zum Abendbrot suchten wir uns ein richtig
uriges Restaurant aus.
Mittlerweile hatten wir uns schon darauf eingestellt, dass es nicht alles auf der Speisekarte gibt. Doch das kein Reis vorhanden war, mutete schon kurios an.
Der Abschied von
Shangri LaOh mein Gott, ist das kalt hier am Morgen. Wir wärmten unsere Sachen mit der
Heizdecke im Bett auf und die Hände am Ofen der im Eingangsbereich des Hotels steht. Bei "
Daisy" gibt es Frühstück mit einem kleinen Holzkohlebecken unter dem Tisch. Trotzdem konnten wir uns nicht entschließen auch nur eine unserer "Zwiebelschalen" abzulegen. Mit dem öffentlichen Bus fuhren wir zum großen Kloster "
Guihuasi" oder "
Sanzanlin", das am Hang gebaut sehr an
Lhasa erinnert.
Eine uralte richtige Stadt mit Lehmhäusern und Holzschindeln. Leider für uns und zum Glück für das Kloster wurde an allen Ecken gebaut. Trotzdem konnte man beim Spaziergang durch die heilige Stätte einen sehr guten Eindruck gewinnen und die herrlich wärmenden Sonnenstrahlen genießen. Auch dem Tempel in der Altstadt statteten wir noch einen Besuch ab.
Nur mit Stefans und Maries Hilfe konnte die riesige tibetanische Gebetsmühle in Gang gesetzt werden. Beim Mittag auf dem Marktplatz probierten wir fast die gesamte Palette der angebotenen
Köstlichkeiten aus.
Und dann brachte uns ein großer Überlandbus nach einem kalten aber viel zu kurzen Aufenthalt in
Shangri La nach
Lijiang zurück. Die
Klimaunterschiede in diesem Landstrich sind extrem. Auf der Hälfte des Weges wurde die Steppe von fruchtbarem Boden abgelöst und die
Reisenden stoppten den Bus um frisch vom Feld Erdbeeren zu kaufen. Lecker und preiswert! Unser süßes "
Moon Inn" hatte für uns, wie versprochen, Zimmer bereitgestellt, obwohl wir einen Tag länger als geplant geblieben waren. Auch für die Weiterfahrt und die nächste Unterkunft halfen sie uns in ihrer bemerkenswert netten und lieben Art mit den üblichen Zetteln und auch Telefonaten.
Am Abend fanden wir unsere schlimmsten Vorurteile bestätigt. Die Speisekarte des von uns gewählten chinesischen Restaurants bot neben Fröchen, Eselfleisch auch Hund an und wir mussten höllisch aufpassen, dass wir nicht stattdes bestellten Gemüses Bambusmäuse serviert bekommen, denn die standen in der Speisekarte untereinander und die Bestellung erfolgte mal wieder nonverbal.