In die
nordöstlichste Provinz, ca. 600km von
Phnom Penh entfernt, nach
Rattanakiri ging unsere Tour. Das ist für die örtlichen Verhältnisse sehr weit. 2003 hat
Steffie mit einer alten Propellermaschine und ebenso alten Stewardessen 1,5h benötigt. Der örtliche Flughafen, besser Flugfeld, ist geschlossen und so gibt es nur eine Möglichkeit, die Straße, die aber in weiten Strecken nur als rote Lehmpiste bezeichnet werden kann. Daher ist die Trockenzeit auch die beste Reisezeit. Wenn es erst anfängt zu regnen, ist
Rattanakiri nur noch mit einem großen Zeitaufwand und entsprechenden Fahrzeugen zu erreichen. Für die Busfahrt hat unser Reisebüro 12-14 Stunden veranschlagt, was aber durchaus mehr werden kann.
Als wir in unserem Deutschunterricht in der Heinrich-
Böll-Stiftung von unserem Vorhaben erzählten, schlug
Ratana sofort vor, einen Sitz in einem Van zu buchen. Die Kosten sind die gleichen, man benötigt aber nur 10-12 Stunden. Wir konnten uns diese Art zu reisen gut vorstellen, hatten wir doch auf unseren Reisen durch das Land immer die überladenen
Vans gesehen, die manchmal nur noch mit geöffneter Heckklappe fahren konnten, so vollgestopft waren sie. Fast alle haben eine kleine
Plattform am Ende angebaut, auf dem sperrige Güter, wie Mopeds u.ä. transportiert werden kann. 2 Stunden einzusparen und damit noch vor Sonnenuntergang anzukommen, war uns die Sache wert. Die Buchung konnten wir selbst nicht bewerkstelligen, da unser Reisebüro für so eine weite Strecke dieses Angebot nicht hat. Also besuchten wir am Montag
Ratana, der für uns die Sitze buchte. Er organisierte alles in 2min, gab uns die Telefonnummern vom Eigentümer und vom Fahrer, die allerdings nur Khmer sprechen.
Noch vor unserem Wecker, 5.25 Uhr, kam ein
Weckruf auf Khmer, wie wir später herausfanden von unserem Vanfahrer. Doch vorsichtshalber standen wir schon 5.50 Uhr auf der Straße. Es kamen nur die üblichen
Moto- und
Tuk-
Tuk Fahrer, aber weit und breit kein Van zu sehen. Abfahrtzeit sollte 6.00 Uhr sein. Da wir mittlerweile wissen, dass die Zeit in Asien anders tickt, blieben wir auch die nächsten 10min ganz ruhig. Doch dann sahen wir
Mien, unseren
Tuk-
Tuk Fahrer des
Vertrauens und kamen auf die Idee, ihn den Vanfahrer anrufen zu lassen, um sicher zu gehen, dass das Fahrzeug kommt. Gut, dass man Menschen kennt, die die Landessprache sprechen. Auf diese Weise wurde schließlich der Van zu uns geleitet. Es war genau so ein
Localvan, wie wir ihn uns vorgestellt hatten, nur nicht so überladen. Sogar einige Plätze waren noch frei. Als wir dann endlich um 7.30 Uhr
Phnom Penh verließen, saß auf jedem "Platz" mindestens eine Person + Gepäck. Wir hatten das fragliche Glück uns die vordersten 4 Sitze mit einer
Omi und ihren 2 Enkeln zu teilen.
Zumindestens brauchten die 2 Kleinen nicht wirklich viel Platz, auch wenn man dafür mal einen kleinen tretenden Fuß erdulden musste. Der Van war klimatisiert und hatte sogar einen DVD-
Player an
Bord, der die beliebten
Karaokevideos abspielte. Eine Abwechslung auf der endlos langen Strecke. Schlafen funktionierte nicht. Zum einen war es schwierig die richtige Lage zu finden, zum anderen wurde jedesmal, wenn man gerade eingeschlafen war Pause gemacht und alles wollte raus aus dem Fahrzeug. Je weiter wir uns von
Phnom Penh entfernten, um so zügiger kamen wir voran, da der Verkehr nachließ, allerdings dann auch die Straße. Der Asphalt verschwand und sie wurde zur berüchtigten roten Lehmpiste, die dann und wann mit Walzen geglättet wurde. Die Brücken waren schmal und sahen nicht sehr
vertrauenerweckend aus. Zu dem Zeitpunkt konnten wir uns nicht vorstellen mit einem Bus über selbige zu fahren.
So fuhren wir ca. 11 Stunden in den entlegenen Nordosten mit Ziel
Ban Lung, der Provinzhauptstadt von
Rattanakiri. Im Reiseführer liest man was von endlosen Urwäldern, unwegsamen, unerforschten Landstrichen in denen noch Tiger, Leopard, Elefant und Krokodil und vielleicht auch das praktisch als ausgestorben geltende Java-Nashorn Rückzugsgebiete haben soll. Traurige Tatsache ist, dass bereits 2003 große Flächen Urwald den Geld bringenden Plantagen weichen mussten und es seit dem eher schlimmer geworden ist, da große Straßenprojekte quer durch noch intakten Urwald führen. Und gibt es erst eine Straße, so folgen rechts und links die Kautschuk- und
Cashewnussplantagen.
Noch immer leben hier 21 verschiedene ethnische Gruppen, mit unterschiedlicher Kultur und Sprache. Auf Grund der
Grenznähe gibt es ebenfalls viele
Laoten und
vietnamesische Minderheiten. Die Khmer sind hier im eigenen Land in der Unterzahl, doch wie wir später erfahren sollten,
unrechtmäßigerweise die Eigentümer des größten Anteils an Grund und Boden.
Die Geschichte der Provinz ist sehr wechselhaft. Bis Ende des 19. Jahrhunderts gehörte das Gebiet zu Laos. Die Franzosen teilten es während ihrer Kolonialherrschaft Kambodscha zu. Während des Vietnamkrieges ging der
Ho-Chi-
Minh-Pfad hier durch und so vielen amerikanische Bomben großflächig auf
Rattanakiri. So ist es kaum ein Wunder, dass die Menschen hier besonders anfällig für die Propaganda der Khmer
Rouge waren und sich leicht zu Soldaten rekrutieren ließen. Natürlich kam der Pol
Pot Terror in seiner ganzen Grausamkeit auch über die
indigenen Bergvölker. Systematisch versuchten die Roten Khmer die
Jahrtausende alte Kultur zu zerstören und verboten Rituale und Zeremonien. Drei Viertel der Bevölkerung verlor ihr Leben. Nachdem die "
Highlander" nach der
vietnamesischen Befreiung zu ihrer traditionellen Lebensform zurückkehrten, kam die
UNTAC und brachte mit TV, Video und Generator, sowie permanenter Werbung für die bevorstehenden Wahlen und für Demokratie, westliche Lebens- und Staatsform auch in die abgelegensten Regionen. Mittlerweile sind die alten Kulturen und Traditionen stärker bedroht als je. Skrupellose Geschäftsleute nehmen das Land in Besitz,
holzen die Wälder ab und verführen die Jugend mit der Geisterwelt des Konsums. Wie die Heuschrecken sind Missionare, besonders religiöse Fanatiker, eingefallen und leisten mit subtilen Methoden ganze Arbeit, die letzten Reste des Natur- und Geisterglaubens zu verdrängen. Auch wir konnten Schilder entdecken, die weit oben an den Bäumen angebracht waren (damit sie nicht so leicht zu entfernen sind), die mit christlichen Phrasen warben. Sicher ist, die Minoritäten sind die Verlierer in ihrer eigenen
Jahrtausenden alten Heimat.
Ban Lung erreichten wir als so ziemlich letzte Passagiere unseres
Vans, da wir alle Anderen bereits an ihrem zu Hause abgeliefert hatten. Auch wenn dieses
Prozedere nocheinmal unsere Reise verlängerte, war es für uns sehr interessant. Aus schlichten Holzhütten kam eine ganze Kinderschar, um ihren mit goldenen Ringen, Ketten, Uhren geschmückten Papa in Empfang zu nehmen. Besonders große Freude lösten die mitgebrachten "Toastbrote" aus
Phnom Penh aus. Bei mancher Hütte hatten wir Sorge, dass sie den Tag übersteht, so sehr neigte sie sich bereits zur Seite.
Auch wir sollten bis vor die Tür gebracht werden, doch unsere erwählte Unterkunft, die
Yaklom Hill Lodge, kannte unser Fahrer nicht. Vorsorglich hatten wir die Telefonnummer der
Lodge abgespeichert. So genügte ein Telefonanruf, um sicher und bequem am richtigen Ort zu landen. Man erwartete uns bereits und bot uns an unseren Bungalow aufzusuchen oder erstmal ins Restaurant einzukehren. Nach dieser Fahrt entschieden wir uns ganz klar für ein kühles Bier.
Die
Yaklom Hill Lodge liegt in mitten eines Stückchens Urwald. In ihm stehen 15 Hütten für die Gäste in traditioneller Bauweise weiträumig verteilt.
Das Abendessen nahmen wir also mit
Urwaldshintergrundgeräuschen, die auch ziemlich laut sein können, ein. Trotzdem eine willkommene Abwechslung zum Stadtlärm. Unsere Hütte ist fantastisch. Einfach, sauber und an alles ist gedacht. Der Raum ist liebevoll ausgeschmückt und für unwillkommene Besucher hängen traditionelle Armbrüste
der "
Highlander" griffbereit neben dem Bett. Strom ist hier keine Selbstverständlichkeit und so gibt es ihn nur per Generator von Sonnenuntergang bis 21.00 Uhr. Für die Zeit danach ist auf jeder Hütte ein kleines
Solarpanel installiert, welches die jeweilige Hütte via Batterie mit Strom versorgt. So gibt es auch nach Abschaltung des Generators Licht und sogar ein Ventilator läuft über die
Solaranlage. Zur absoluten Sicherheit bekamen wir noch eine Kerze in die Hand gedrückt, welche gleich in der ersten Nacht von einem Urwaldtierchen
angeknabbert wurde.